Das Bostoner Intelligenz-Blatt: Kulturgeschichte der deutschen Immigration in Boston im 19. Jahrhundert
Zur Biographie einer deutschen Kolonie
Alexandra Haueisen
Es existiert heute eine beeindruckende Fülle an Publikationen, die sich mit der Thematik der deutschen Einwanderung in Amerika im 19. Jahrhundert auseinandersetzt. Bevorzugt werden meist solche Gebiete und Orte herangezogen, in denen es eine besonders hohe Dichte an deutschen Einwanderern gab. Dort lässt sich das Siedlungs- und Gruppenverhalten, wie auch der Akkulturationsvorgang am besten beobachten und nachvollziehen. Mitte des 19. Jahrhunderts etablierte sich in Boston, Massachusetts eine zahlenmäßig kleine, jedoch unglaublich aktive deutsche Kolonie, die heute der Forschung weitgehend unbekannt ist. Die deutschen Einwanderer organisierten sich in einer Vielzahl von Vereinen, gründeten Schulen, führten deutsche Bier- und Gasthauskultur ein und versuchten auf diese Weise ihre deutsche Identität zu wahren. Anhand des Bostoner Intelligenz-Blattes entstand erstmals eine Lokalstudie, die schwerpunktmäßig den Zusammenhang von Kultur und Gesellschaft im Immigrantenmilieu betrachtet und den Annäherungsprozess an die amerikanische Gesellschaft sowie den Akkulturationsvorgang analysiert. Die Bedürfnisse und der Wandel der deutschen Einwanderer in Boston werden vor dem Hintergrund der Verbürgerlichung und kulturellen Vergesellschaftung des 19. Jahrhunderts dargestellt, indem Gruppierungen religiöser, politischer und kultureller Art beleuchtet und deren Ziele diskutiert werden. Die verschiedenen Aspekte wurden dabei nicht einzig mit Hilfe von Tabellen, Zahlen und Statistiken erarbeitet, sondern die Akzentuierung lag auf den Menschen, die hinter diesen Institutionen standen und sie definierten. Sie wurden aus ihrer Anonymität geholt und anhand ihrer Lebensgeschichten, durch Interviews mit Nachkommen, Fotos, Zeitungsausschnitten und Zitaten sichtbar gemacht. Mit der systematischen Auswertung des Bostoner Intelligenz-Blattes ist diese Studie nicht nur eine Ergänzung zur Intelligenzblattforschung, sondern kann durch die erstmalige Rekonstruktion der deutschen Kolonie in Boston einen Beitrag zur deutschen Kulturgeschichte und Migrationsforschung leisten.