Das Christentumsverständnis Wilhelm Boussets
Evangelische Theologie im Spannungsfeld von Historismus und Rationalismus
Volker Henning Drecoll, Jan Höffker, Volker Leppin
Die vorliegende Untersuchung widmet sich dem vergleichsweise wenig erforschten Werk des Gießener Neutestamentlers Wilhelm Bousset. Als Mitglied der sogenannten Religionsgeschichtlichen Schule gerät Bousset zumeist als Vertreter einer dem Leitparadigma „Historismus“ verpflichteten Theologie in den Blick. Jan Höffker zeigt, dass Bousset ein Akteur war, der an vielfältigen theologischen Diskursen partizipierte. Die historische Frage nach der Entstehung des Urchristentums bestimmte zwar zeitlebens sein Schaffen, späterhin aber wurde diese um die religionsphilosophische Frage nach der Vernünftigkeit der Religion erweitert. Denn dem Theologen Bousset standen gerade die geltungstheoretischen Folgelasten seines historischen Arbeitens, die sein Neufriesianismus wieder einhegen sollte, bildhaft vor Augen.
Die Krise der zeitgenössischen Theologie erkannte Bousset sodann im Aufgehen der „liberalen Theologie“ in „Historismus und Psychologismus“. Die Lebensdienlichkeit der Theologie sah er damit gefährdet – und arbeitete ganz konkret in Ferienkursen einem Auseinanderfallen von Theologie und gelebter Religion im Kreise der Gebildeten entgegen. Wilhelm Bousset wird so als ein Theologe gezeichnet, der die unterschiedlichen Anliegen des Historismus und des Rationalismus miteinander zu vermitteln suchte, damit die Theologie auch unter den Bedingungen der Moderne ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen konnte: nämlich die reflexive Zurüstung der aller Reflexion vorgängigen Religion.