Das Erleben gemeinsamer Sexualität in engen Partnerschaften
Jörg von Irmer
Der Kontext einer engen Partnerschaft wurde in der Sexualforschung lange vernachlässigt. Der theoretische Hintergrund beinhaltet eine ausführliche Darstellung der Sexualforschung der letzten Dekaden. Darin wird deutlich, dass sich nur wenige Arbeiten damit beschäftigen, was die Partner miteinander erleben, um ihr Sexualleben zu bereichern und sexuell zufrieden zu werden oder auch für lange Zeit zu bleiben. Das Ziel dieser Studie ist es, Facetten partnerschaftlicher Sexualität aufzudecken, mit denen das sexuelle Erleben im Kontext einer engen Partnerschaft beschrieben werden kann. Hierzu wurden drei aufeinander aufbauende Studien mit insgesamt ca. 3400 Personen und einem breiten Altersspektrum, durchgeführt. In der ersten Studie wurde ein Fragebogen entwickelt, mit dessen Hilfe verschiedene Aspekte sexuellen Erlebens, die physische und die affektive Anziehung, erfasst werden können. In der zweiten Studie sollte die Bedeutung der gemeinsamen Sexualität für die Beziehungszufriedenheit untersucht werden. Dafür wurde mithilfe des Fragebogens ein Modell entwickelt, das Effekte dieser beiden Aspekte auf die sexuelle Zufriedenheit und die Beziehungszufriedenheit für beide Geschlechter beschreibt. Dieses Modell der partnerschaftlichen Sexualität wurde in einer dritten Studie verwendet, um die partnerschaftliche Sexualität in einem größeren Beziehungskontext zu betrachten. Hierzu wurden Effekte von Bindungsstilen, des Emotionsmotivs und der Selbstwirksamkeitserwartung auf die partnerschaftliche Sexualität überprüft, sowie der Beitrag des Erlebens partnerschaftlicher Sexualität auf die soziosexuelle Orientierung. Die in diesem Buch präsentierten Studien zeigen, welche Bedeutung der sexuellen Beziehung für die Beziehungszufriedenheit zukommt – für Männer und für Frauen teilweise auf unterschiedliche Weise. Die partnerschaftliche Sexualität wird dabei durch eine sichere Bindung an den Partner und durch das Motiv, sich in affektiv aufgeladene Situationen begeben, maßgeblich beeinflusst. Sie trägt aber kaum zu der Bereitschaft bei, außerhalb der Beziehung sexuelle Kontakte aufzunehmen. Zudem leistet diese Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Diskussion, ob eher das Alter oder die Beziehungsdauer für Veränderungen in der erlebten Sexualität verantwortlich gemacht werden kann und wie es manchen Paaren gelingt, trotz langjähriger Beziehung eine erfüllende Sexualität zu erhalten.