Das Ich und seine Taktiken von Renz,  Karl

Das Ich und seine Taktiken

Selbstgespräche

Bei dem Buch handelt es sich um ausgewählte Talks von Karl Renz in der Zeit von 2003 bis 2010. Mit unnachahmlichem Witz bei gleichzeitig durchdringender Klarheit weist Karl Renz auf das Unsagbare hin, spricht über Advaita: „Nicht-Zwei“, und deckt dabei, neben anderem, die vielfältigen Taktiken des Ich auf.
Fragender: Aber wo kommt die Furcht her, was für eine Furcht? Warum fürchte ich mich?

Karl: Es gibt Furcht, aber keinen, der sich fürchtet – möglicherweise. Es fürchtet sich etwas, das eine Idee für real nimmt. Und eine Idee braucht jede Art von Bestätigung. Sie fürchtet sich und muss sich darum kümmern, dass sie als Idee bleibt. Sie fürchtet sich immer vor Sterblichkeit, vor Gehen, vor Vergehen, weil sie gekommen ist. Das ist die grundsätzliche Ur-Furcht. Die Bibel würde sagen: Die Ursünde, die Sünde, dass du – als etwas Gekommenes – das, was du erfährst, als real nimmst, nämlich dass du die Idee von Existenz als real nimmst. In dem Moment bist du in einer existentiellen Krise. Weil: Du bist etwas Relatives, etwas Objekthaftes geworden, etwas, das du definieren kannst. Du definierst es als Existenz. Und diese Definition ist abhängig von einer Definition; die braucht jede Art von Zuwendung und Aufmerksamkeit, damit sie bleibt. Diese Furcht ist eine Energie, damit diese Überlebenssache bleibt. Es ist eine Natürlichkeit in sich, dass etwas überleben möchte – als Existenz. Und dann fürchtet sie sich natürlich, nicht zu existieren. Also, allein die Idee von Existenz fürchtet sich vor dem Nichtexistieren. Das ist die Ursache von Furcht. In dem Moment gibt es vielleicht noch gar keinen, der sich fürchtet. Aber es ist die Wurzel von Furcht, weil damit die Idee von Existenz erscheint, als Ich-Idee, als Existenz-Idee. Das ist immer Krise. Und alles, was danach kommt ist Krisenmanagement – so oder so. Das, was du bist, ist vor der Idee. Und vor der Idee meint: Das Mysterium, das nicht definiert werden kann. Was nur ein Hinweis ist, ein Hinweis auf das, was nicht zu definieren ist, was weder ist noch nicht ist, was in sich absolut ist, was keine Quelle hat, was kein Kommen und Gehen hat, was nie geboren ist und deshalb auch nie sterblich ist, was nicht eine Idee von etwas ist und kein Gefühl von etwas, nie etwas, was du erfahren kannst oder nicht erfahren kannst. Du bist also das absolute Auge Gottes, die absolute Wahrnehmung, der Wahrnehmende an sich, der aber nicht relativ ist.

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