Das Zitiergebot für die Abweichungsgesetzgebung.
Rechtsstaatliche und demokratische Grundlagen sowie Anforderungen einer Kennzeichnungspflicht in Art. 72 Abs. 3 GG.
Enikö Zsinka
Die 2006 neu in das Grundgesetz aufgenommene Kompetenzart der Abweichungsgesetzgebung in Art. 72 Abs. 3 GG sieht auf Rechtsfolgenseite abweichend vom »Normalfall« des Art. 31 GG einen Anwendungsvorrang des späteren Rechts vor. Damit ist diese Gesetzgebungskompetenz auf unübersichtliche Gemengelagen von Bundes- und Landesrecht normativ angelegt. Die Verwobenheit von Bundes- und Landesrecht kann bei dieser Gesetzgebungsart ein Maß an normativer Komplexität erreichen, das mit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit nicht mehr zu vereinbaren ist. Die möglichen Gemengelagen stehen auch in Widerspruch zum Prinzip demokratischer Verantwortungsklarheit und demokratischer Repräsentation. Aus diesem Grund muss für die Abweichungsgesetzgebung eine Kompensation in Form eines ungeschriebenen Zitiergebots mitgedacht werden.