Den deutschen „Cäsar“ bezwingen
Die 1960er und die Kampagne gegen Springer
Manuel Seitenbecher
Deutschland Ostern 1968: Die schwersten Straßenschlachten der Nachkriegszeit fegen durch die junge Bundesrepublik. Kernziel der Demonstranten: Der Axel Springer Verlag. Den „Pressezar“ Springer und seinen „Kettenhund“ Bild machen die protestierenden Studenten indirekt für das Attentat auf Rudi Dutschke wenige Tage zuvor verantwortlich. Doch die Kritik an Europas größtem Verlagshaus begann viel früher. Erstmals hinterfragt Manuel Seitenbecher nun en detail diese spezifischen Geschehnisse der „langen 60er Jahre“. Medienpolitische Kontroversen über das Verleger- bzw. Springerfernsehen und vermeintliche Wettbewerbsverzerrungen im Medien- und Pressesektor spielen mit hinein. Aber auch konkurrierende Verleger und die DDR-Staatssicherheit wollten die Kritik an Springer und seinen Blättern für ihre Ziele nutzen. Sie tragen mit ihrem Verhalten Mitschuld daran, dass die kollidierenden politischen Einstellungen von APO und Springer Verlag spätestens am 2. Juni 1967 eskalierten. Der Tod Benno Ohnesorgs löste die studentische Anti-Springer-Kampagne aus, verbunden mit der allseits präsenten Forderung nach der Enteignung des Großverlegers. Die Kampagne erscheint damit wie schon in den Augen der agierenden Zeitgenossen als der eigentliche Transmissionsriemen der 68er-Bewegung.