Der Abschnitt „Dialecti“ aus den vermischten Schriften des Johann Siegmund Valentin Popowitsch (1705-1774)
Richard Reutner
Der Prozess der Standardisierung der deutschen Schriftsprache erreichte im bairisch-österreichischen Raum im 18. Jh. seinen Abschluss, doch verlief auch dieser letzte Abschnitt nicht reibungslos. Widerstand gegen den v.a. von Johann Christoph Gottsched vertretenen Vormachtanspruch des Meißnischen Deutsch, also der Sprache des ostmitteldeutschen Raums (Sachsen, Thüringen), regte sich, wie nicht anders zu erwarten, im Süden und im Norden. Im Süden waren es v.a. Carl Friedrich Aichinger und der aus dem damals untersteirischen, heute slowenischen Raum stammende Johann Siegmund Valentin Popowitsch, die Gegenpositionen einnahmen. Dabei ging es ihnen weniger darum, die kulturelle Dominanz Sachsens zu leugnen, sondern eher darum, die Einseitigkeit und Radikalität dieses Vormachtanspruchs in Frage zu stellen bzw. zu relativieren. Dies geschah – damals eine durchaus verbreitete Strategie – v.a. durch den Hinweis auf den Reichtum der Mundarten, wobei „Mundarten“ im Sinne von regionalen Varietäten verstanden wurden. Durch den Hinweis auf in Österreich geltende Wörter und Formen wollte Popowitsch deren Aufnahme ins Hochdeutsche erreichen, wobei – und auch hier schiebt sich eine geänderte Semantik dazwischen – unter „Hochdeutsch“ damals das verstanden wurde, was wir heute als „Standardsprache“ bezeichnen, und nicht das, was durch den Gegensatz Hochdeutsch – Niederdeutsch ausgedrückt wird.