Der Begriff der Dichtung in der Frühen Neuzeit
Volkhard Wels
Gegenstand der Arbeit ist die Frage, was in der Zeit von 1450 bis 1750 als Dichtung begriffen wurde. Der erste Teil ist den Begriffen der Nachahmung und Gleichnishaftigkeit gewidmet und rekonstruiert die Rezeptionsgeschichte der aristotelischen „Poetik“, deren Nachahmungsbegriff erst sichtbar werden konnte, als die Definition der Dichtung über Gleichnishaftigkeit, Exemplarizität oder ähnliche Konzepte in den Hintergrund zu treten begann. Mitte des 17. Jahrhunderts ersetzt der Begriff der Fiktion den Begriff der Nachahmung. Der zweite Teil der Arbeit rekonstruiert die Geschichte des Enthusiasmus, der von den neuplatonisch beeinflussten Autoren um 1500 noch als göttliche Inspiration verstanden wird. Aus theologischen Gründen wird mit der Reformation die Möglichkeit einer göttlichen Inspiration bestritten. Inspiration ist jetzt nur noch eine Metapher für Begabung. Daraus entwickelt sich die Deutung des Enthusiasmus als einer besonderen „Stimmung“ des lyrischen Dichters. Damit schreibt die Arbeit die doppelte Geschichte des Begriffes der Dichtung, der in der Moderne einerseits die Fiktionalität als charakteristisches Merkmal bezeichnet, andererseits aber den spezifisch inspirierten Charakter der „Lyrik“.