Der Gebietserhaltungsanspruch
Simon Marschke
Die Anerkennung des Gebietserhaltungsanspruchs hat seit den Grundsatzurteilen des BVerwG in den Jahren 1993 und 1996 den Nachbarschutz im Innenbereich erheblich erweitert. Er beruht auf der Erkenntnis, dass Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung zwingend drittschützend sind, soweit ihnen ein Austauschverhältnis zugrundeliegt. Damit hat jeder Grundstückseigentümer innerhalb eines geplanten oder faktischen Baugebiets einen Abwehranspruch gegen die Zulassung gebietsfremder Vorhaben. Dieser Abwehranspruch geht in seiner Wirkung über das Gebot der Rücksichtnahme hinaus, weil er unabhängig von tatsächlich spürbaren Beeinträchtigungen ist und bereits mit Genehmigung eines Vorhabens entsteht. Angesichts der tiefgreifenden Änderungen, die durch den Gebietserhaltungsanspruch bereits eingetreten sind, und besonders derer, die bei konsequenter Anwendung des dogmatischen Begründungsansatzes des BVerwG noch zu vollziehen sind, ist eine umfassende Bearbeitung der mittlerweile über 15 Jahre alten Rechtsprechung und der aus ihr entstandenen Folgefragen notwendig, die mit dieser Untersuchung vorgelegt wird. Dabei wird zunächst übersichtshaft die Rechtsprechung zum Drittschutz der Gebietsfestsetzungen vor dem Gebietserhaltungsanspruch dargestellt. Nach einer ausführlichen Analyse der beiden Grundsatzurteile des BVerwG wird der Gebietserhaltungsanspruch in den Kontext bereits vorhandener Rechtsinstitute eingeordnet und von ihnen abgegrenzt. Anschließend erfolgt die Aufarbeitung konkreter Einzelfallprobleme, darunter die Einschränkung des Gebietserhaltungsanspruchs, seine gebietsübergreifende Wirkung und seine Auswirkungen auf das Bauordnungsrecht. Den Schwerpunkt der Studie bildet die Herausarbeitung der bislang wenig beachteten Konsequenzen der Anwendung der dogmatischen Grundlagen des Gebietserhaltungsanspruchs auf die Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB und den Drittschutz der Festsetzungen des Maßes der baulichen Nutzung.