Der Gewissenstäter im kanonischen Recht.
Das kirchliche Sanktionsrecht im Lichte der Glaubens- und Gewissensfreiheit.
Martin Krutzler
Die vorliegende Untersuchung behandelt die Frage nach der Möglichkeit bzw. Notwendigkeit einer Rechtsfigur des Gewissenstäters im kanonischen Recht. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist der Kirche nicht nur als echtes Menschenrecht vorgegeben, sondern bildet zugleich eines ihrer Strukturprinzipien. Innerhalb dieses Kontextes lässt sich das normative Phänomen des Gewissenstäters ausmachen, welcher definiert wird als Katholik, der ein objektiv und subjektiv verpflichtendes, sanktionsbewehrtes Gesetz übertritt, weil ihm sein Gewissen eine der Norm entgegengesetzte Verhaltensanweisung gibt. Da die Rechtsfigur des Gewissenstäters innerhalb der Kanonistik insbesondere dann ein drängendes Problem darstellt, wenn im Zuge einer kirchlichen Sanktion Zwangscharakter und Besserungszweck aufeinandertreffen, ist sie als ein Phänomen zu begreifen, welches vor allem das kirchliche Sanktionsrecht berührt. Dessen Maßnahmen und Mittel sind daher vor dem Hintergrund der Glaubens- und Gewissensfreiheit zu evaluieren.