Der Müll der Literatur
Textmaterielle Formen des Formlosen (1812–1926)
David-Christopher Assmann
Lektüren der Literarisierung von Müll und der Vermüllung von Literatur, die das Faible für unnütze Details mit dem sammelnden Lesen des völlig Unbrauchbaren verknüpfen.
Müll drängt sich seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zunehmend auf. Die gewöhnlich in den städtischen Peripherien zu Müllbergen angehäuften Dinge und Substanzen übersieht auch die Literatur nicht. Sie erzählt von ihnen, lässt ihre Figuren mit ihnen hantieren und setzt Form und Materialität ihrer Texte zu ihnen ins Verhältnis. Wozu interessieren sich literarische Texte um 1900 für einen so formlosen Gegenstand wie Müll? Auf diese Frage sucht die Studie von David-Christopher Assmann Antworten. In ihrem Zentrum stehen Lektüren von Müll-Stellen in der Literatur von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1920er Jahre. Welche Darstellungsverfahren setzen literarische Texte zwischen Realismus und Moderne ein, um ihrem Interesse an aussortierten oder weggeworfenen Materialitäten zu entsprechen? Inwiefern partizipiert die Literatur der Jahrhundertwende an stadthygienischen Bemühungen, die Müllbeseitigung in den Griff zu bekommen? Und mit welchen Folgen beobachtet ein literarischer Text sich selbst als Müll? Die Studie plädiert für einen materialitätstheoretisch und sozialgeschichtlich informierten Strukturalismus, der es erlaubt, Müll als Thema, Verfahren und Material, kurz: als textmaterielle Form von Literatur zu untersuchen.