Der Prozess der negativen Feststellungsklage
Unter Einbeziehung der prozessualen und materiell-rechtlichen Nebenwirkungen
Andreas Dichtl
Der Prozess der negativen Feststellungsklage ist eine zunehmend praktizierte prozessuale Variante der Rechtsverfolgung durch den vermeintlichen Schuldner, um Rechtsfrieden über ein konkretes, im Streit befindliches Rechtsverhältnis, d.h. im Regelfall über einen vorher von Gläubigerseite berühmten bzw. nur teilweise eingeklagten Anspruch zu erlangen. Dessen materiell- rechtliche Nebenwirkungen (insbesondere Verjährungshemmung, Verjährungsneubeginn und Haftungserweiterungen) sowie dessen verfahrensrechtliche Nebenwirkungen (insbesondere Rechtskraft, Rechtshängigkeitssperre) haben schon unter dem BGB a.F. zu Zweifelsfragen geführt. Seit Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 (BGB n.F.) haben sich diese Zweifelsfragen verschärft, da sich die Normen über die vorgenannten materiell- rechtlichen Nebenwirkungen im Rechtsgrund, der Rechtsfolge sowie im systematischen Rechtsumfeld zum Teil erheblich geändert haben. Die Internationalisierung der Wirtschaftsbeziehungen führt darüber hinaus zunehmend zu europäischen Parallelverfahren im Anwendungsbereich der am 01.03.2002 in Kraft getretenen Verordnung EG Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (VO-Brüssel I). Dort gilt – im Unterschied zum Anwendungsbereich der ZPO – eine Rechtshängigkeitssperre für nachträgliche Klagen mit demselben Kernpunkt (Kernpunkttheorie), wie z.B. zugunsten der zeitlich vorrangig anderweitig anhängig gemachten negativen Feststellungsklage. Dieser Umstand macht es notwendig, dass auch das BGB n.F. die materiell-rechtlichen und ergänzenden verfahrensrechtlichen Voraussetzungen dafür bietet, dass die Schnittstelle zwischen dem unmittelbar anwendbaren verfahrensrechtlichem Gemeinschaftsrecht sowie dem nationalen materiellen Recht für die rechtsschutzsuchenden Anspruchsinhaber nicht zur Falle wird. Dies beinhaltet, daß die verfahrensgebundenen verjährungsrechtlichen Tatbestandsmerkmale der §§ 197 I Nr.3 und § 204 I Nr.1 BGB n.F. auch in den Mitgliedsstaaten unter dem Regime der VO-Brüssel I/EuGVÜ entsprechend Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB verwirklicht werden können Der durch die Rechtsänderungen der Schuldrechtsreform bedingten „Wechselwirkung“ zwischen dem deutschen/europäischen Prozeßrecht einerseits und dem deutschen materiellen Recht andererseits, namentlich den Einfluß der Art und Weise der verfahrensgebundenen negativen Rechtsverfolgung des vermeintlichen Schuldners auf den Ablauf der Verjährung sowie sonstigen materiell-rechtlichen Nebenwirkungen ist im Rahmen des Titels der Arbeit nachgegangen worden.