Der Schulkonflikt an der EOS „Carl von Ossietzky“ im Jahr 1988 – Macht oder Ohnmacht im SED-Staat?
Eine Fallstduie zur Alltags- und Strukturgeschichte der DDR
Ulrich Hagemann, Jörg Ziegenhagen
Im Herbst 1988 kam es an der EOS „Carl von Ossietzky“ zu einem Konflikt, an dessen Ende vier Schulverweise standen: An der Schule existierte seit einem Jahr eine so genannte „Speakers‘ Corner“, an der die Schülerinnen und Schüler Artikel veröffentlichen und diskutieren konnten. Vermeintlich systemkritische Meinungsäußerung und eine Unterschriftenliste alarmierten die Partei- und Staatshierarchie bis hin zu Volksbildungsmi-nisterin Margot Honecker. Am Ende veranlasste der SED-Staat harte Strafen. Schon 1988 fand dieser Schulkonflikt ein außerordentliches Echo in der Öffentlichkeit. Nach der Friedlichen Revolution von 1989 wurden die Ereignisse vielfältig dokumentiert und interpretiert, im Jahre 2008 schließlich gab es am historischen Ort – dem heutigen Carl-von-Ossietzky-Gymnasium in Berlin-Pankow – Projekttage mit damaligen Akteuren und späteren Beobachtern. Dabei standen immer wieder folgende Fragen im Zentrum der AuseinanderSetzung: Wie kamen die Entscheidungen zustande, wie wurden sie umge-Setzt und welche Widerstände gab es? Welche Handlungsmöglichkeiten hatten Einzelne oder Gruppen mit abweichenden Meinungen in einem autoritären Staat? Kurz: In welchem Verhältnis standen Machtanspruch von Staats- und Parteiführung auf der einen Seite und reale MachtdurchSetzung in den unterschiedlichen Lebenswelten der DDR auf der anderen Seite?