Der Staat des «gemeinen Mannes»
Gattungstypologie und Programmatik des politischen Schrifttums von Reformation und Bauernkrieg
Frank Ganseuer
Das nichtakademische, «ungelehrte» politische Schrifttum von Spätmittelalter und früher Neuzeit ist Gegenstand der Dissertation. Auf der Basis eines Untersuchungskorpus von ca. 150 Texten wird eine Gattungstypologie der Flug- und Handschriftenliteratur von Reformation und Bauernkrieg erstellt. Diese ermöglicht die Ausgrenzung von «Staatsentwürfen», Institutionenbeschreibungen eines geplanten oder erhofften Staates des «gemeinen Mannes», als engerem Untersuchungsobjekt. Diese Entwürfe («Meraner Artikel», Michael Gaismairs «Tiroler Landesordnung», Eberlins «Bundtgnossen», «Teütscher Nation nodturfft», Heilbronner «Reichsreformplan», Friedrich Weygandts «Artikel zu einem Ausschreiben», «Von der newen wandlung eynes Christlichen lebens») werden sowohl im Hinblick auf ihren Inhalt als vor allem auch auf ihre formale, ihre «literarische» Gestaltung analysiert. Auf diese Weise lässt sich ihre Genese aus der Gedanken- und Formenwelt der Reichsreformschriften («Reformatio Sigismundi», «Oberrheinischer Revolutionär») und der Tradition der Artikelbriefe («Zwölf Artikel» etc.) zeigen sowie ihr innerer Zusammenhang aufweisen, der sich zu einem Bild vom Staate des «gemeinen Mannes» verdichtet. Die idealtypisierende Gegenüberstellung von «funktionalem» und «additiven Staatsentwurf» erbringt schliesslich Definitionselemente des geläufigen, aber unscharfen Begriffs Utopie.