Deutsch-russische Musikbegegnungen 1917-1933
Band 1: Studien
Stefan Weiss
Zwischen den politischen Schicksalsjahren 1917 und 1933 begegneten deutsche und russische Musikkulturen einander in neuen und manchmal kontroversen Konstellationen, die dieser Band in zwölf detaillierten Studien erkundet. Aus deutscher Sicht konnte „russische Musik“ damals gedanklich ebenso sehr mit dem alten Zarenreich identifiziert werden wie mit der neuen sozialistischen Gesellschaftsordnung: In Berlin hörte man die Tonkunst des alten Russland in den Konzerten geflüchteter InterpretInnen wie im Exilkabarett des Blauen Vogel; gleichzeitig warb dort die „Gesellschaft der Freunde des Neuen Russland“ für Sympathie mit sowjetischer Musik. Im nachrevolutionären Russland selbst erfuhren die Kompositionen Paul Hindemiths und Alban Bergs umfassende Beachtung, während der Klassiker Beethoven zum Vorbild für sowjetische Musik stilisiert wurde. Der Band folgt Emigranten wie Sergej Prokof’ev und Vladimir Šcerbacëv bei ihren oftmals verwunderten Wahrnehmungen der modernen deutschen Musikszene, untersucht musikwirtschaftliche wie -ästhetische Verflechtungen und bezieht dabei auch die komplexe Vorgeschichte der gegenseitigen Rezeption mit ein.
Between the fateful political years of 1917 and 1933, German and Russian musical cultures encountered each other in new and sometimes controversial constellations, which this volume explores in twelve detailed studies. From a German perspective, „Russian music“ at the time could be identified in thought as much with the old tsarist empire as with the new socialist social order: in Berlin, the musical art of old Russia was heard in the concerts of fugitive performers as in the exile cabaret of the Blauer Vogel; at the same time, the „Society of Friends of New Russia“ promoted sympathy for Soviet music there. In post-revolutionary Russia itself, the compositions of Paul Hindemith and Alban Berg received widespread attention, while the classicist Beethoven was stylized as a model for Soviet music. The volume follows emigrants such as Sergei Prokof’ev and Vladimir Šcerbacëv in their often astonished perceptions of the modern German music scene, examines music-economic as well as music-aesthetic entanglements, and also includes the complex history of mutual reception.