Die Aussetzung nach § 221 Abs. 1 StGB.
Martin Wielant
Der seit seinem Inkrafttreten 1871 nahezu unverändert gebliebene Grundtatbestand der Aussetzung wurde durch das 6. StrRG von 1998 unter weitgehendem Rückgriff auf § 139 Entwurf 1962 reformiert und nach dem gesetzgeberischen Willen erweitert. Die Klärung, ob dieser Reformteil dem Gesetzgeber gelungen ist und vor allem wie die Tatbestandsmerkmale des Grundtatbestandes nach der Reform der Norm auszulegen sind, steht im Zentrum der vorliegenden Arbeit.
Im Ergebnis bejaht Martin Wielant einen deutlich erweiterten Anwendungsbereich des § 221 Abs. 1 StGB n.F. Das zeigt sich schon im Normtext durch die Aufhebung des beschränkten Opferkreises zugunsten jedes Menschen als möglichem Opfer. Zudem wird nunmehr – abweichend von der früher überwiegend vertretenen Ansicht – eine Neuauslegung der beiden Tathandlungen, Versetzen und Imstichlassen, ohne Beschränkung auf räumlich geprägte Bewegungsvorgänge präferiert und hergeleitet. Im Gegensatz zu der überwiegenden Meinung in der Wissenschaft – jedoch in Anknüpfung an die Idee einer konsequenten Neuauslegung des Tatbestandes – bestimmt der Autor den Inhalt des Merkmals der hilflosen Lage, das Verhältnis der beiden Tatalternativen zueinander sowie deren Abgrenzung voneinander.