Die Bonner Republik
Ansgar Fürst
Die Bonner Republik umfaßt ziemlich genau den Zeitraum, den der englische Historiker Eric Hobsbawm das »Goldene Zeitalter« nennt, das dem »Katastrophenzeitalter« auf dem Fuße folgte. Für die Deutschen war eine staunenswerte Normalität das Signum dieser Epoche. Dem neuen demokratischen Staatswesen, das da 1949 in einem fast beiläufigen Gründungsakt als Provisorium entstand, fehlte jedes Moment der Größe.
Was in der Rückschau wie ein ruhig dahinfließender Strom erscheinen mag, als geradliniger Weg ohne Brüche und spektakuläre Wendungen, das erweist sich bei näherer Betrachtung als die Geschichte von Kämpfen mit offenem Ausgang um die Grundorientierung dieses Staats: Um das Bündnis mit dem Westen und den Ausgleich mit dem Osten, um das Verhältnis zur DDR und zum Ziel der Wiedervereinigung und um die Lehren, die aus dem Epochenbruch der Energiekrise von 1973 zu ziehen waren. Wer die Bilder und die Stationen dieses Wegs Revue passieren läßt, der schließlich in das »deutsche Wunder« von 1990 mündet, der wird immer wieder ins Staunen geraten.