Die Digitalisierung und Verbreitung verwaister und vergriffener Werke
Rolf Kaulich
Die grüne Hand des Urheberrechts symbolisiert die untrennbare Verbindung des Urhebers zu seinen Werkschöpfungen, auch wenn diese Schöpfungen als vergriffen oder verwaist gelten. Die Nutzung verwaister und vergriffener Werke spielt für die Bewahrung des kulturellen Erbes und den Aufbau digitaler Bibliotheken eine wesentliche Rolle. Aus diesem Grund wurde mithilfe der europäischen Bestimmungen der Richtlinie 2012/28/EU und der entsprechenden Umsetzungsgesetze die Barriere der fehlenden Möglichkeit der Rechteklärung überwunden und der Rechtsrahmen für die Digitalisierung und Verbreitung verwaister Werke geschaffen. Ungeachtet des nicht unwesentlichen Umstandes, dass die Rechteinhaber der vergriffenen Werke im Grunde bekannt und auffindbar sind und infolgedessen die Rechteinhaber den potentiellen Nutzern grundsätzlich auch unmittelbar Nutzungsrechte einräumen könnten, wurde die Nutzung vergriffener Werke nunmehr auch über den Weg der „vermuteten“ treuhänderischen Rechtewahrnehmung ermöglicht. Über verschiedene Auslegungsmethoden leitet der Autor allgemeingültige Definitionen der Begriffe „verwaiste und vergriffene Werke“ her, zeigt wesentliche Widersprüche im Regelungssystem auf, benennt Mängel in den Schutzanforderungen und bietet rechtspolitische und dogmatische Lösungen an.