Die Elektrizitätswirtschaft im Spannungsfeld von Staatsaufsicht und Wettbewerb
Ein Vergleich der deutschen und chinesischen Rechtslage
Sheng Li
Wie kann es sein, dass Haushaltsstrom in China günstiger ist als Industriestrom? Warum sind die Fehlinvestitionen und nicht der Mangel an Investitionen wie in Deutschland häufig das Hauptproblem der chinesischen Energiepolitik? Um solche Fragen zu beantworten, untersucht das vorliegende Werk das Spannungsverhältnis von Staatsaufsicht und Wettbewerb im deutschen und chinesischen Stromsektor. In den Fokus rückt zunächst der Begriff „Staatsaufsicht“, bei dem zwischen Staatskontrolle (herkömmliche Form) und Regulierung (modernere Form) zu unterscheiden ist. Als Ergebnis wird festgehalten: während die Staatsaufsicht der deutschen Elektrizitätswirtschaft grundsätzlich in Form der Regulierung existiert, die mit eigens geschaffenen Regeln die Überwachung der selbstverantwortlichen Teilnahme am Wettbewerb realisiert, tritt die Staatsaufsicht in China vor allem in Form der Staatskontrolle mit hoher Kontrolldichte in Erscheinung. Wie die deutsche Regulierung sich wesentlich von der wettbewerbsfeindlichen Staatsaufsicht im Rahmen des EnWG 1935 und der wettbewerbsunwirksamen Staatsaufsicht im Rahmen des EnWG 1998 unterscheidet und wie die Staatskontrolle in China in Bezug auf Preisbildung und Investitionen im Vergleich zum Wettbewerb dominiert, zeigt dass die Wettbewerbsorientierung den Kernunterschied zwischen Staatskontrolle und Regulierung ausmacht. Vor dem Hintergrund der Wettbewerbsorientierung des Regulierungsrechts lässt sich nachvollziehen, wie die gestärkte Unabhängigkeit, die Einführung der ex-ante Befugnisse, die Anreizregulierungsmethode zur Wettbewerbssimulation und die umfassenden Aufsichts- und Sanktionsmaßnahmen der deutschen Regulierungsbehörde zusammenwirkend dafür sorgen sollen, schnell und effektiv die Etablierung eines Wettbewerbs zu erreichen.