Die Entwicklung der Herdenmoral
Nietzsche liest Spencer und Mill
Maria Cristina Fornari, Leonie Schröder
Den eigenen Behauptungen Nietzsches zum Trotz, der die englischen Philosophen seiner Zeit mit verächtlichen, eiligen Worten abfertigte, war seine Beziehung zu den Vertretern des Evolutionismus und Utilitarismus alles andere als nebensächlich. Bewiesen wird das durch die in seiner Bibliothek erhaltenen Bände von Herbert Spencer und John Stuart Mill, die mit zahlreichen Unterstreichungen und Randbemerkungen versehen sind. Diese zeugen von einem lebendigen Dialog mit den genannten Protagonisten des zeitgenössischen Denkens und einer eingehenden Debatte über zentrale Themen der Zeit. Ursprung und Zweck der Moral, Nützlichkeit und Glück, Gesellschaft und Individuum – zur Auseinandersetzung mit diesen und anderen Problemen wurde Nietzsche nicht zuletzt durch seine Gesprächspartner angeregt, wobei er die Schwäche ihrer Lösungen erkannte und bloßlegte. Diese Auseinandersetzung anhand der veröffentlichten Schriften und der Aufzeichnungen, vor allem aber anhand der Lektürequellen zu rekonstruieren, ist das Ziel des Buches. Es wird gezeigt, dass die englische Philosophie nicht nur wesentlich war für Nietzsches Gedanken zum Ursprung und zur Natur der Moral, sondern dass gerade durch die Beschäftigung mit Spencer und dem Spencerismus einige Schlüsselbegriffe von Nietzsches Denken Gestalt annahmen.