Die Europäischen Grundfreiheiten als Rechtsgrundlage von Leistungsansprüchen
Lioba Riem
Im Zuge der fortschreitenden europäischen Integration befindet sich
insbesondere das Unionsrecht in einem Prozess ständiger dynamischer und
integrativer Weiterentwicklung. Die von der Verfasserin bejahte
rechtliche wie praktische Notwendigkeit, individuelle
Leistungsansprüche unmittelbar aus den europäischen Grundfreiheiten
anzuerkennen, beruht maßgeblich auf dem gewandelten Verständnis der
europäischen Grundfreiheiten. So erscheint es nicht ausreichend, die
grundfreiheitlichen Gewährleistungen rein formal durch die Beseitigung
nationalstaatlicher Beschränkungen sicherzustellen. Vielmehr bedarf es
zur Sicherung eines Minimalstandards positiver Maßnahmen, damit die
Gewährleistungen seitens des Bürgers auch effektiv wahrgenommen werden
können. Insofern können positive Maßnahmen erforderlich sein, damit
sich die Freiheiten in der Lebenswirklichkeit überhaupt erst entfalten
können. Die im Rahmen der Arbeit vorgenommene teleologische,
dynamisch-erweiternde Auslegung der Grundfreiheitsbestimmungen ergibt,
dass angesichts des Charakters der Grundfreiheiten als
Optimierungsgebote sowie aufgrund des europarechtlichen
Effektivitätsgrundsatzes eine dahingehende Auslegung dogmatisch
möglich und mitunter geboten ist.