Die fahrlässige Mittäterschaft.
Simone Kamm
Nach überwiegender Auffassung ist die mittäterschaftliche Begehung einer Straftat nur bei Vorsatz aller Beteiligten möglich. Begründet wird dies damit, daß die Fassung eines gemeinsamen Tatentschlusses bei fahrlässig handelnden bzw. unterlassenden Personen ausgeschlossen sei sowie mit der fehlenden Differenzierbarkeit der einzelnen Beteiligungsformen bei der Fahrlässigkeitsstraftat.
Simone Kamm geht der Frage nach, ob, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen, eine fahrlässige Mittäterschaft gleichwohl anzuerkennen ist. Nach einer kritischen Betrachtung der Struktur der vorsätzlichen Mittäterschaft wird die Behandlung der fahrlässigen Beteiligung mehrerer in älterer und neuerer Rechtsprechung und Lehre dargestellt und bewertet. Die Verfasserin kommt zu dem Ergebnis, daß die Argumente der Gegner einer fahrlässigen Mittäterschaft sowie deren Alternativvorschläge zur rechtlichen Einordnung von fahrlässig gemeinsam handelnden bzw. unterlassenden Personen nicht überzeugen. Im letzten Teil der Arbeit entwickelt sie eigene Kriterien zur Begründung dieser dogmatischen Figur. Danach ist von einer mittäterschaftlichen Begehung einer Fahrlässigkeitsstraftat dann auszugehen, wenn der tatbestandliche Erfolg allein bei dem Zusammenwirken mehrerer sorgfaltspflichtwidrig in Erscheinung tretender Personen verwirklicht werden kann. Die Beteiligten müssen sich der Gemeinschaftlichkeit ihres Handelns bzw. Unterlassens sowie der Umstände, die die wechselseitige Abhängigkeit der einzelnen Tatbeiträge im Hinblick auf den Erfolgseintritt begründen, bewußt sein. Zuletzt werden die dogmatischen und praktischen Konsequenzen der Annahme einer solchen Rechtsfigur aufgezeigt.