Die Gebäudehaftung.
§ 836 BGB im System der Verkehrssicherungspflichten.
Jörg Petershagen
Der Autor beschäftigt sich mit dem deliktsrechtlichen Sondertatbestand der Gebäude- und Werkhaftung, welcher zutreffend als Verschuldenshaftung mit Beweislastumkehr zu charakterisieren ist. Der Bedarf für eine derartige Untersuchung ist daran erkennbar, daß es sich um eine Materie handelt, welche – wie auch die Anzahl der hierzu nach wie vor ergehenden Gerichtsentscheidungen verdeutlicht – von aktueller Bedeutung ist und außerhalb der Kommentarliteratur kaum behandelt wird.
Vorab erfolgt eine Darstellung der Gebäudehaftungen anderer europäischer Länder, welche zum Teil parallele Strukturen und Normanwendungsprobleme wie das deutsche Recht aufweisen. Im deutschen Haftungsgefüge stellt sich angesichts der Entwicklung und Ausweitung der Verkehrssicherungspflichten sowie der deliktsrechtlichen Beweislastverteilung durch die moderne Rechtsprechung die Frage nach der Bedeutung des Normenkomplexes insbesondere im Verhältnis zu § 823 I BGB. Neben der Beleuchtung der Tatbestandsmerkmale in ihrer an die industrielle und städtebauliche Entwicklung des 20. Jahrhunderts angepaßten Auslegung wird daher auf das Problem der Erforderlichkeit des Spezialtatbestandes eingegangen. Der Verfasser kommt dabei zu dem Ergebnis, daß § 836 BGB wegen der Anknüpfung der Verschuldensvermutung an den Nachweis eines – nicht notwendig von dem Gebäudeunterhaltungspflichtigen geschaffenen – Baumangels keinesfalls überholt ist, weil die Haftung aus § 823 I BGB demgegenüber wenigstens den Nachweis einer objektiven Pflichtverletzung erfordert.