Die geometrische Keramik von Kap Kolonna
Manfred Bietak, Florens Felten, Hermann Hunger, Veronika Janosch-Reinholdt
Die vorgelegte protogeometrische und geometrische Keramik stammt zum überwiegenden
Teil von Ägina-Kolonna, einem im Nordwesten der Insel ins Meer hinausragenden Felskap,
wo bereits vom Neolithikum an eine Siedlung bestanden hatte. Die sehr große Menge an
protogeometrischer Keramik macht deutlich, dass die in spätmykenischer Zeit verlassene
Akropolis auf Kap Kolonna im 10. Jh. v. Chr. wiederbesiedelt wurde. Von Anfang an
bestanden engste Beziehungen der Bewohner Äginas zu Athen, unabhängig von ihrer
überlieferten dorischen Abstammung, wurde doch feines bemaltes Tongeschirr fast
ausschließlich von dort importiert. Dabei handelt es sich vor allem um Formen, die beim
Gastmahl und Trinkgelage verwendet wurden, wie Trink-, Mischgefäße und Kannen sowie
Amphoren zur Anlieferung und Lagerung des Weins. Über zwei Jahrhunderte hat man bei
solchen gemeinschaftlichen Trinkritualen, die unter der Patronanz lokaler basileis bzw.- einer
Phratrie stattfanden und die als Frühform des Apollon-Kultes an dieser Stelle zu deuten sind,
attische Gefäße benützt. Erst um die Mitte des 8. Jht. v. Chr. wurde dieses Monopol Athens
vor allem durch Produkte der zunehmend an Bedeutung gewinnenden korinthischen
Keramikindustrie, danach auch durch argivische und kykladische Tonwaren gebrochen, sodass
bereits für das spätere 8. Jh. v. Chr. ein erweitertes Netz an Handelsbeziehungen und sozialen
Kontakten der Ägineten zum ägäischen Raum vorauszusetzen ist. Darüber hinaus lässt sich an
der Keramik dieses Zeitraumes eine vorher nicht dagewesene Differenzierung der
Gesellschaft erkennen, die Teilnahme unterschiedlicher sozialer Gruppen am Kult, zu denen
weniger privilegierte Personen sowie eine durch verfeinerte Tischsitten erstmals fassbare
Adelsschicht zählen.