Die Joyce-Rezeption in der deutschsprachigen Erzählliteratur nach 1945
Maren Jäger
Kein englischsprachiger Autor hat einen ähnlich intensiven und nachhaltigen Einfluss auf die Prosa des 20. Jahrhunderts ausgeübt wie James Joyce und sein Roman Ulysses. Alfred Döblin, Hermann Broch und Hans Henny Jahnn sind Vertreter einer ersten Generation deutschsprachiger Autoren, die für ihr Bemühen um eine adäquate narrative Repräsentation moderner Erfahrungswelten die radikalen Erzählexperimente des Iren fruchtbar gemacht haben. Nach der Epochenzäsur des Zweiten Weltkriegs stellte sich deutschen Erzählern das Problem der Darstellbarkeit einer drastisch gewandelten Realität und ihrer Erfahrung in verschärftem Maße. Vor allem durch den Rückgriff auf Joyce werden Wolfgang Koeppen, Arno Schmidt, Uwe Johnson und Wolfgang Hildesheimer zu Protagonisten einer „zweiten Avantgarde“, die aus der Wiederentdeckung und -belebung der internationalen Moderne produktive Impulse bezieht. Die Wege und Spuren des Einflusses biographisch und literarhistorisch anhand detaillierter Textanalysen herauszuarbeiten, die Kontinuität avantgardistischer Impulse über den „Nullpunkt der Literatur“ hinaus nachzuzeichnen und die spezifischen Positionen der behandelten Autoren schärfer als bisher zu konturieren, sind die Ziele dieser Studie.