Die Konstruktion der ,Anderen‘
Barbarenbilder in den Briefen des Sidonius Apollinaris
Veronika Egetenmeyr
Sidonius Apollinaris war Politiker, Bischof, Dichter und Mitglied einer selbstbewussten gallo-römischen Aristokratie. Er gehört zu den bedeutendsten Persönlichkeiten des 5. Jahrhunderts in Gallien. Sein Leben – geprägt von der zunehmenden Desintegration des Römischen Reiches – spiegelt sich in seinen Briefen. In diesen berichtet er von politischen Verträgen, Intrigen, Freundschaftskonventionen und verarbeitet die Veränderungen seiner symbolisiert durch die reale und literarische Präsenz von ‚Barbaren‘.
Mithilfe eines theoretischen Rahmengerüstes, das Konzepte von Alteritäten, Identitäten und Tradition miteinander verbindet, analysiert Veronika Egetenmeyr in ihrer Studie die von Sidonius stammenden und selbst zur öffentlichen Zirkulation vorgesehenen Briefe systematisch. Der ‚Barbar‘ erscheint so als ein literarisches Konstrukt, das einer Reihe von Bedingungen unterworfen ist und das keineswegs dichotomisch aufgelöst werden kann. Der ebenso strikte wie paradigmatische Gegensatz zwischen ‚römisch‘ und ‚barbarisch‘ lässt sich in den Briefen des Sidonius Apollinaris nicht aufrechterhalten. Je nach Briefkontext und Leserschaft verändert sich nicht nur das Bild des ‚Barbaren‘, sondern auch die literarische Identität des Autors. Am Ende erscheint der Briefautor Sidonius als eine multiple Persönlichkeit. Der wahre Sidonius hingegen verbleibt in selbst gewählter .