Die Konstruktion der Vergangenheit.
Geschichtsdenken, Traditionsbildung und Selbstdarstellung im frühneuzeitlichen Ostmitteleuropa.
Joachim Bahlcke, Hans Strohmeier
Die Begriffe »Vergangenheitskonstruktion«, »Geschichtsdenken«, »Traditionsbildung« und »Selbstdarstellung« sind Ausdruck eines von der komparativen Nationalismusforschung ausgegangenen intensiven Nachdenkens über die Bildung und Veränderung politischer Identitäten, die Frage nach der Reichweite, Tiefe und Funktionalität des historischen Bewußtseins sowie über Formen der Aneignung und Vergegenwärtigung von Vergangenheit, Zeitbewußtsein und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses.
Die hier vorgelegten Beiträge knüpfen an konzeptionelle und inhaltliche Überlegungen dieser Diskussion an und machen sie für eine historische Region fruchtbar, die in der deutschsprachigen Forschung bisher nur marginal wahrgenommen wurde: das östliche Mitteleuropa, jenes Gebiet zwischen Finnischem Meerbusen und Ägäis, das in der Gegenwart immer deutlicher als strukturgeschichtlich und kultursoziologisch zusammengehörende Geschichtsregion wahrgenommen wird. Gerade hier, im multi-ethnisch geprägten Osten der kontinentalen Mitte ist es von besonderer Wichtigkeit, die Konkurrenz verschiedener Erinnerungskulturen grundsätzlich über einen sehr viel längeren Zeitraum hin zu verfolgen.