Die Macht der memoria
Die "Noctes Atticae" des Aulus Gellius im Licht der Erinnerungskultur des 2. Jahrhunderts n. Chr.
Christine Heusch
Das Buch findet und verfolgt einen Leitfaden durch die bisher der Buntschriftstellerei zugeordneten Noctes Atticae, in denen Aulus Gellius die formale und inhaltliche Inhomogenität zum literarischen Programm erhoben hat: Ausgehend von der Praefatio des Autors, in der er sein Werk als „eine Art Bildungsvorrat zur Gedächtnisstütze“ angekündigt hat, wird vor dem Hintergrund der modernen kulturwissenschaftlichen Erinnerungs- und Gedächtnisforschung die memoria als das Zusammenhang stiftende Konzept des Bildungskompendiums beschrieben. Nicht nur mit ihrem Begriff, sondern in ihren verschiedenen Erscheinungsformen, als individuelle Gedächtniskunst ebenso wie als kollektives kulturelles Gedächtnis, ist memoria darin allgegenwärtig. Dass ihre unterschiedlichen Manifestationen in Baudenkmälern und literarischen Denkmälern, insbesondere in Bibliotheken und Büchern, aber auch in Etymologien, Institutionen und geschichtlichen Exempla sichtbar werden, spiegelt das ausgeprägte kulturhistorische Interesse des Gellius wider. Bei aller kulturellen, literarischen und sprachlichen Traditionsorientierung ist das Werk zugleich ein Dokument der griechisch-römischen Bikulturalität und Zweisprachigkeit der Gebildeten sowie der Bildung des 2. Jh.s n. Chr.