Die maoistische KPD/ML und die Zerschlagung ihrer „Sektion DDR“ durch das MfS
Tobias Wunschik
Im Herbst 1981 veröffentlichte die Illustrierte „Stern“ Photos von vier Bundesbürgern, die sich in aller Öffentlichkeit auf dem Ostberliner Alexanderplatz angekettet hatten. Sie wollten darauf aufmerksam machen, dass zuvor im Osten Deutschlands mehrere Gesinnungsgenossen verhaftet worden waren. Was man im Westen seinerzeit erstaunt zur Kenntnis nahm, dokumentieren heute die Akten des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) sehr genau: Im „Arbeiter-und-Bauern-Staat“ kämpfte eine Handvoll Maoisten unter dem Namen „Sektion DDR der KPD/ML“ verbissen gegen die SED-Machthaber und wurde nach anfänglichen „Erfolgen“ zur leichten Beute für den Staatssicherheitsdienst.
Diese maoistische Spielart des gesellschaftlichen Protests im SED-Staat hat bislang wenig Beachtung gefunden. Die „Sektion DDR der KPD/ML“ ist jedoch weniger von Interesse, weil ihre Anhänger ein hohes Maß an politischem Fundamentalismus an den Tag legten, sondern weil sie mit einer für die siebziger und achtziger Jahre ungewöhnlichen Militanz und konspirativer Energie aufbegehrten. Damit einher ging, was die eigentliche Bedeutung des Themas ausmacht, eine außergewöhnlich intensive Bearbeitung der „Sektion DDR“ durch das MfSt. Die differenzierten Maßnahmen der ostdeutschen Geheimpolizei gegen diese Organisation lassen exemplarisch die MfS-typische Abfolge von präziser Aufklärung, systematischer Infiltration und anschließender Zerschlagung des „Feindobjektes“ erkennen und sind insofern beispielhaft für die Methodik politischer Repression im SED-Staat.
Letztlich gerieten hier zwei Organisationen miteinander in Konflikt der Geheimdienstapparat des MfS und der Parteiapparat der KPD/ML , deren Weltanschauung gleichermaßen auf dem Marxismus-Leninismus fußte. Beide waren ihrem Selbstverständnis nach Sachwalter der Interessen der „Arbeiterklasse“ und ständig auf der Suche nach politischen „Abweichungen“. Außerdem bedienten sich beide konspirativer Arbeitsmethoden. Vermutlich aufgrund dieser Parallelen trug die Auseinandersetzung ihrer „Apparate“, wie zu zeigen sein wird, streckenweise realsatirische Züge. So grotesk dieses Drama im Rückblick auch immer erscheinen mag: Für die betroffenen Aktivisten der „Sektion DDR“ hatte ihr Engagement fatale Konsequenzen. Einige von ihnen mussten etliche Jahre in den Haftanstalten des SED-Regimes zubringen.