Die Neukonstruktion des Tatbestands des Betriebsübergangs.
Eine Untersuchung zu den dogmatischen und methodischen Grundlagen des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB.
Jörg Windt
Die Rechtsprechung des BAG zum Tatbestand des Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB hat mit Urteil vom 22. Mai 1997 einen Einschnitt erfahren, denn das BAG hat sein lange Zeit praktiziertes Konzept aufgegeben und die davon abweichende Konzeption des EuGH übernommen. Besonders markant war die Kehrtwende in methodischer Hinsicht. Während das BAG, jedenfalls im Ausgangspunkt, der traditionellen Methodik folgend den Tatbestand des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in einzelne Tatbestandsmerkmale unterteilte, definierte und anwendete, hat der EuGH einen Topoi-Katalog von Kriterien zusammengestellt, die im Wege einer Gesamtbewertung die Beurteilung eines Betriebsübergangs ermöglichen sollen.
Jörg Windt zeigt, dass die Kehrtwende zu Recht erfolgte und führt das Konstrukt des EuGH in methodologischer Hinsicht auf die Lehre vom Typus zurück: Der Begriff des Betriebsübergangs ist ein Typusbegriff, dessen Verwendung in Anbetracht der Vielgestaltigkeit und Komplexität der Lebensverhältnisse auch bei solchen Tatbeständen gerechtfertigt sein kann, die, wie der § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB, durch den Gesetzgeber weitgehend ausgeformt sind. Von entscheidender Bedeutung bei der juristischen Konstruktion von Typusbegriffen ist sein leitender Bedeutungs- oder Wertgesichtspunkt, der in dieser Arbeit in der „Weiterbeschäftigungsmöglichkeit“ der von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer erblickt wird. Die Gesamtbewertung aller Topoi im Einzelfall, ausgerichtet an diesem Leitkriterium, eröffnet der Vorschrift des § 613a BGB die notwendige Flexibilität, ihren Aufgaben gerecht zu werden.