Die Strafbarkeit der Beschneidung der äußeren Genitalien vor dem Hintergrund von § 1631d BGB und § 226a StGB
Tom Georg Schmidt
Die Beschneidung der Genitalien von Frauen und Männern ist Gegenstand einer kontroversen Debatte in Politik und Wissenschaft. In der Rechtswissenschaft herrschte in der Vergangenheit überwiegend Schweigen zu der Frage der Rechtmäßigkeit einer rituellen Beschneidung von Jungen. Dies änderte sich mit dem Urteil des Landgerichts Köln vom 07.05.2012, welches entschied, dass die rituelle Knabenbeschneidung grundsätzlich eine tatbestandsmäßige Körperverletzung darstelle, weil die Beschneidung des nicht einwilligungsfähigen Jungen „weder unter dem Blickwinkel der Vermeidung einer Ausgrenzung innerhalb des jeweiligen religiös gesellschaftlichen Umfelds noch unter dem des elterlichen Erziehungsrechts“ dem Kindeswohl entspreche. Eilig wurde daher am 12.12.2012 ein Gesetzentwurf verabschiedet, um Rechtssicherheit zu schaffen. Dieser Gesetzentwurf mündete in der Vorschrift des § 1631d BGB. Dieser erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen die Beschneidung des männlichen Kindes (Zirkumzision). Fast zeitgleich hat der Gesetzgeber die „Verstümmelung weiblicher Genitalien“ mit dem am 28.09.2013 in Kraft getretenen § 226a StGB ausdrücklich unter Strafe gestellt. Dies wirft die Frage nach der Verfassungsgemäßheit von § 1631d BGB und § 226a StGB im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz auf, da es auch Formen der weiblichen Beschneidung gibt, die im Hinblick auf die Eingriffsintensität mit der männlichen Zirkumzision vergleichbar sind. Der Autor untersucht zunächst, inwiefern die Veranlassung einer Beschneidung von Kindern durch ihre Eltern verfassungsgemäß ist, und kommt zu dem Ergebnis, dass eingriffsarme Beschneidungsformen bei Jungen und Mädchen verfassungskonform sind, wenn sie der Verwirklichung des elterlichen (religiösen) Erziehungsrechts dienen und medizinisch fachgerecht ausgeführt werden. Im Anschluss daran wird erörtert, unter welchen Voraussetzungen die männliche und weibliche Beschneidung strafbar bzw. straffrei durchgeführt werden kann. Dabei werden die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1631d BGB unter besonderer Berücksichtigung der erforderlichen Schmerzbehandlung und des § 226a StGB unter besonderer Beachtung von Gleichheitsfragen erläutert. Diese Veröffentlichung kommt zu dem Ergebnis, dass die Regelungen in § 1631d BGB und § 226a StGB aufgrund der Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung (noch) verfassungsgemäß sind und schließt mit – aus Sicht des Verfassers – nötigen Reformvorschlägen.