Die Stundenwachen im Osiriskult
Eine Studie zur Tradition und späten Rezeption von Ritualen im Alten Ägypten. Teil 1: Text und Kommentar. Teil 2: Dokumentation
Andreas H Pries
Andreas H. Pries‘ Studie zu den Stundenwachen im Osiriskult dient der vornehmlich philologischen und religionshistorischen Erfassung eines der im Kultgeschehen der ptolemäischen Tempel Ägyptens zentralen Rituale für den prominenten Gott Osiris. Band I des Werkes bietet eine kritische Ausgabe der umfangreichen, im Verständnis schwierigen Ritualtexte: ihre Übersetzung, religionsgeschichtliche Einordnung und textkritische Analyse. Band II legt eine vollständige Edition der verfügbaren Dokumentation des Rituals in Wort und Bild vor. Die darin bezeugte, jährlich im Monat Choiak stattfindende Aufführung stündlicher Riten an einer Osirisfigurine, welche nach dem Vorbild der im Rahmen von umfangreichen Bestattungszeremonien vollzogenen und aus dem Totenkult bekannten Nachtwache angelegt ist, rezipiert Vorstellungen und Motive, die sich in funerären Kontexten in Form von Rezitationssprüchen bis in das Alte Reich, den Zeitraum um 2300 v. Chr., zurückverfolgen lassen. Vor diesem Hintergrund stellt der späte handbuchartige Haupttext des Stundenwachenrituals eine Kompilation solcher Sprüche dar, die unter Hinzunahme weiterer Elemente zu einem neuen Arrangement zusammengestellt wurden. Damit bietet er, wie kaum eine andere dem Textpool altägyptischer Überlieferung entstammende Komposition, eine ideale Grundlage für eine detaillierte überlieferungshistorische Untersuchung. Um dem im Vergleichsmaterial augenscheinlichen Umstand gerecht zu werden, dass der Wortlaut und in der Folge der Sinngehalt der verwendeten Sprüche im Laufe von gut zwei Jahrtausenden zahlreichen Modifikationen unterworfen war, die überdies maßgeblich zu einem geänderten Ritualverständnis beitragen konnten, entwickelt Pries einen neuen textkritischen Ansatz, der sich von der herkömmlichen, in der ägyptologischen Forschung auf Texte aus dem religiösen Umfeld angewandten Methode unterscheidet und es erlaubt, die intensive Interaktion der alten Ägypter mit der überkommenen Tradition genauer zu erfassen.