Die Ungehorsamsstrafe in der Strafprozesspraxis des frühen 19. Jahrhunderts.
Eine Untersuchung anhand ausgewählter Staaten.
Natalie Knapp
Welche Bedeutung kam der Ungehorsamsstrafe im Zeitraum zwischen Abschaffung der Folter und Reformierung des deutschen Strafprozesses zu?
Zeitgenössische Lehrbücher und Normierungen definieren die Ungehorsamsstrafe als Vergeltungsmittel bei Verweigerung einer Antwort im Gegensatz zur Folter als Erpressungsmittel. Zeitgenössische Strafprozessrechtswissenschaftler verteidigen die Ungehorsamsstrafe als funktionales Surrogat der Folter im Interesse des staatlichen Wahrheitsanspruchs oder kritisieren sie wegen ihrer Nähe zur Folter. Bei der Untersuchung von Verhörprotokollen fort- und rückschrittlicher Staaten zeigt sich eine erhebliche Diskrepanz zwischen den intensiven zeitgenössischen strafprozessrechtswissenschaftlichen Debatten und der nur etwa zu einem Hundertstel in den Akten nachvollziehbaren Anwendung der Ungehorsamsstrafe.
Monokausale Erklärungsansätze zum Phänomen Ungehorsamsstrafe verbieten sich. Die Ideen reichen von der Beibehaltung des überkommenen Inquisitionsverfahrens, einer Manipulation der Protokolle, gütlichen Verhörmethoden bis zur Anwendung einer polizeilichen Folter.
Doch nur vor dem Hintergrund sowohl fortschrittlicher strafprozessrechtlicher Entwicklungen als auch bestehender Rückstände im Strafverfahren des frühen 19. Jahrhunderts ist ein Deutungsversuch zur Rolle der Ungehorsamsstrafe möglich, wenn auch nicht vollständig nachweisbar.