Die verlorene Gemeinschaft
Der Protestantismus und die Integration der Vertriebenen in die westdeutsche Gesellschaft (1945–1972)
Felix Teuchert
Die Integration von ca. 8 Millionen Vertriebenen verunsicherte die westdeutsche Gesellschaft zutiefst. Auch der Protestantismus war unmittelbar wie mittelbar vom Vertreibungsgeschehen betroffen. Millionen evangelische Vertriebene mussten in die westdeutschen Landeskirchen und Kirchengemeinden integriert werden. Unterschiedliche Frömmigkeitskulturen prallten in den Gemeinden schroff aufeinander; die innerprotestantischen Bekenntnisse sorgten für beträchtlichen Konfliktstoff. Die Integrationsfrage motivierte protestantische Akteure aber auch zu karitativem Engagement, sozialpolitischer Mitgestaltung und sozialethischer Reflexion.Felix Teuchert untersucht den Einfluss des Protestantismus in den gesellschaftlichen Debatten über die Integration der Vertriebenen in die westdeutsche Gesellschaft, die protestantische Deutung des Sozialen, aber auch das Politik-Kirche-Verhältnis und die Rolle religiöser Akteure in der Sozialpolitik. Dabei analysiert der Autor die semantisch vielfältigen Integrationsvorstellungen und die dahinter liegende gedachte soziale Ordnung aus protestantischer Perspektive. Die Vertriebenenproblematik avancierte zu einem sozialethischen Reflexionsfeld und zu einem diskursiven Ort, an dem sich der Protestantismus kritisch mit der modernen, sich transformierenden Gesellschaft auseinandersetzte. Schließlich geraten auch die Debatten um ein „Recht auf Heimat“ sowie Ostdenkschrift der EKD von 1965 in den Blick, die Teuchert auf ihre integrationspolitischen Implikationen befragt.