Die Vita der Heiligen Lioba
Eine angelsächsische Äbtissin im Karolingerreich
Bärbel Witten
Die Monographie „Die Vita der Heiligen Lioba“ versucht, der Gestalt der Heiligen Lioba näherzukommen. Basis der Untersuchung ist die „“Vita Leobae abbatissae Biscofesheimensis“, die Rudolf von Fulda im Jahre 836 verfasste als Grundlage für die zwei Jahre später erfolgte Heiligsprechung Liobas durch Hrabanus Maurus. Rudolfs Schrift ist eine Heiligen-Vita: Der erste Hauptteil der Studie darüber analysiert sie nach Maßgabe ihres literarischen Genus. Hrabans Erhebung Liobas „zur Ehre der Altäre“ war verbunden mit der Übertragung des Leichnams der Äbtissin aus der Fuldaer Klosterkirche in die Allerheiligenkirche auf dem Petersberg bei Fulda. Der zweite Hauptteil geht den Motiven für diese Maßnahme nach und trifft dabei auf Signale klosterinterner Konflikte, die ihre Ursache in der angelsächsischen Prägung Fuldas von seiner Gründung her hatten. Sie zeigen sich insbesondere an der Umbettung des Leichnams Liobas anlässlich der Neuweihe der Salvatorbasilika 819 sowie an der Änderung der Eintragung des Namens der Äbtissin in die Fuldaer Totenannalen. Die Untersuchung dieser Gegebenheiten führt zu Neuüberlegungen hinsichtlich der Anfänge der Abtei Fulda. Diese wurde offenbar von Bonifatius als angelsächsisches Doppelkloster unter der Leitung einer Äbtissin aus seiner Verwandtschaft ausgelegt. Der dritte Hauptteil der Studie versucht, nach Maßgabe dieser Einsicht die Geschichte Liobas als die jener ersten Äbtissin des Doppelklosters Fulda nachzuzeichnen. Es ergibt sich, dass Rudolfs Bezeichnung des Lioba-Klosters als „Biscofesheim“ eine kunstvolle Verschleierung der Tatsache ist, dass Lioba die Leitung des Klosters Fulda innehatte, keineswegs die eines (gar nicht existierenden) Klosters Tauberbischofsheim. Auch bekommt die Klostergeschichte von Fulda bis zur Umwandlung der Abtei in ein Reichskloster (765) ganz neue Konturen.