Die Wurzel Jesse zu Xanten
Die Predella des Marienaltars, ein spätes Meisterwerk Heinrich Douvermanns. Beschrieben, erklärt und erläutert.
Wolfgang Kosack
Die Wurzel Jesse des Marienaltars von Xanten ist eines der bedeutendsten Kunstwer-
ke, die die Spätgotik am Niederrhein hinterlassen hat. Ihre Wertung, ihr Gehalt und ihre Einzigartigkeit soll in dieser Studie beschrieben werden, vor allem aber der geistige Hintergrund, auf dem dieses Kunstwerk erwachsen ist.
Hierfür wurde die einschlägige Literatur aufgearbeitet und benutzt, die sich kunsthisto-
risch mit diesem Thema beschäftigt hat. So ist eine Biografie Heinrich
Douvermanns in Form einer umfangreichen, tabellarischen Datensammlung und
eine Liste seiner Werke entstanden, die auf dem neuesten Stand der Forschung
steht. Die kunsthistorische Stellung der Xantener Predella ist sehr ungewöhnlich, sie
ist als allerletzter Repräsentant der Spätgotik und zugleich als früher Vorläufer des Manierismus anzusehen. Sie überspringt damit sozusagen die Entwicklungsstufe der Renaissance, die in Breisacher Predella von Meister H.L. ihren Ausdruck findet, welche zeitgenössisch zu der Xantener Predella datiert werden kann, aber einen ganz ande-ren Stil, eben jenen der Renaissance, entwickelt hat, obwohl sie in einzelnen Details und in der Meisterschaft ihrer Schnitzkunst durchaus mit ihr verwandt ist. Mit Absicht habe ich daher diese Übergangszeit zwischen Mittelalter und Renaissance mit originalen Zitaten (Thomas Müntzer, Friedrich Myconius) versehen, da sie die Stimmung des Aufgewühltseins, des Umbruchs und des Übergangs so trefflich einfangen und das Zeitkolorit unmittelbar wiedergeben.
Daß die alte Rechtschreibung heutigen Leser hier und da Mühe macht, den Text
zu begreifen und seinen Sinn zu verstehen, mag als Herausforderung des Kopfes
angesehen werden, so wie ja auch das Kunstwerk selbst eine Herausforderung
für die Augen ist und für das Einfühlen in die Spätgotik.
Außerdem habe ich philosophische Gedanken des bulgarischen Schriftstellers
Korudshiew zitiert, die meiner Meinung nach besonders gut und treffsicher die
innere Verfassung des Künstlers beleuchten und zum Ausdruck bringen.