E.T.A. Hoffmann und das Glasmotiv
Jehona Kicaj
Hoffmann lesen heißt, den sicheren Boden unter den Füßen zu verlieren. Seine Romane, Erzählungen, Novellen und Kunstmärchen sind ein Vexierspiel der Phantasie und des Phantastischen; sie vermessen die Grenzbereiche des Psychischen, jenen Raum zwischen Traum und Trauma, Rausch und Unbewusstem. Entscheidend für diese Wahrnehmungsambivalenzen ist unter anderem das Motiv des Glases.
Trotz des sehr breiten Forschungsdiskurses ist das Glasmotiv bisher noch wenig beachtet worden, obwohl es in den Texten Hoffmanns in bemerkenswerter Häufigkeit und Vielfältigkeit auftaucht. Gut erforscht sind lediglich die optischen Instrumente, die ein problematisches Verhältnis der Sichtbarkeit und des verschärften Sehens vorführen. Dass diese jedoch allesamt aus Glas bestehen und das gemeinsame Material auch in anderen, schlichteren Varianten etliche Veränderungsmöglichkeiten der Wahrnehmung evoziert, wurde bisher nicht thematisiert.
Die Studie verfolgt auf Grundlage von zwei prominenten Erzählungen E. T. A. Hoffmanns (1776–1822) – Der Sandmann sowie Nussknacker und Mausekönig – die These, dass Hoffmann Glas gerade dann auftreten lässt, wenn Realität und Imagination, Beobachtung und Einbildungskraft ineinander übergehen.