Ein leichter Tod
Mojgan Ataollahi, Susanne Baghestani
Wie befördert man sich möglichst schmerzlos aus dem Leben? Mit diesen Überlegungen beginnt der persönlich gefärbte Roman von Mojgan Ataollahi. Die 34jährige Ich-Erzählerin, eine Cutterin, hat gegen den Willen der Familie Majid geheiratet und ist mit ihm nach Behschahr ans Kaspische Meer gezogen. Nach jahrelangen körperlichen und seelischen Misshandlungen entscheidet sie sich schließlich zur Trennung und flüchtet mit der Tochter Matissa zu ihren Eltern nach Teheran.
Die Scheidung von Majid erweist sich angesichts der frauenfeindlichen Justiz jedoch als komplizierter als erwartet. Zermürbt von jahrelangen Gerichtsverhandlungen und desillusioniert von weiteren gescheiterten Liebesbeziehungen bezieht die Protagonistin unter dem Vorwand, ihre Filmstudien fortsetzen zu wollen, ein baufälliges Häuschen am Kaspischen Meer. Eigentlich plant sie ihren Selbstmord, der aber an teilweise grotesken Pannen scheitert, bis sie neuen Lebensmut gewinnt.
In diese Rahmenhandlung sind unterschiedliche Erlebnisse der Erzählerin kaleidoskopartig eingebettet: Szenen aus ihrer Ehe, traumatische Kindheitserlebnisse im Iran-Irak-Krieg (1980-1988), aber auch aktuelle gesellschaftliche Ereignisse. Die Szene ihrer Verhaftung durch die allgegenwärtige Moralpolizei wegen „unzüchtiger“ Bekleidung auf der Straße gleitet über in die gewaltsam niedergeschlagenen Demonstrationen von 2009, als die iranische Bevölkerung gegen die umstrittene Wahl Ahmadinedschads protestierte.
Ihre Gespräche mit christlichen Konvertiten oder der tief verschleierten Freundin veranschaulichen eine Gesellschaft im Umbruch zwischen tradierten Werten, religiöser Ideologie und dem Drang nach Modernität, mit denen auch die Protagonistin ringt. Trotz aller Widerstände kommt sie am Ende zu der Erkenntnis, dass sie an diesen gewachsen ist und zu sich selbst gefunden hat.
Mit ihrem ersten Roman ist Mojgan Ataollahi ein beeindruckendes Porträt der iranischen Gegenwart gelungen, undogmatisch, selbstkritisch und gesellschaftskritisch, ohne Larmoyanz und gängige Klischees nimmt die Erzählerin sich und andere mit bissigem Humor aufs Korn.