Eindringlinge. Sternheim in neuer Perspektive
Ein Grundmodell des Werkes und der Phantasie
Volker Nölle
Eindringlinge und Schwellenwächter – das ist die stupende archetypische Konfiguration in Sternheims Werk. Jene Kontrahenten bevölkern in vielerlei Gestalt und Vermummung Sternheims Dramen und Erzählungen, und zwar so dicht, wie es bei keinem anderen Autor der Fall ist. Das fundamentale Gegensatzpaar ist das genetische Muster der Phantasie für eine Unzahl sehr heterogener Abkömmlinge, die in einem permanenten Antagonismus verstrickt sind.
Eindringen und Abwehren – das ist das archaische Ereignismuster einer „Urszene“ oder – dem Konstruktcharakter entsprechender – eines tiefenstrukturellen Grundmodells. Mit einem winzigen Komponenten- und Konstantensatz generiert Sternheims Phantasie in unentwegten Abwandlungen, Mutationen und Variationen ein vielschichtiges Geflecht von, äußerlich gesehen, kaum vergleichbaren Werken. Dabei wird eine geheime Ordnung offenbar, in der nicht nur die Sujets der Werke ihren genau zu verortenden Stellenwert gewinnen, sondern auch die Welt der dichterischen Phänomene. Denn: Symbole, Metaphern, Bilder, Konfigurationen und Topoi ordnen und lagern sich, wie von einer Magnetnadel angezogen, um die axe polémique.
Die ungewohnten Perspektiven, die Volker Nölle eröffnet, sind sowohl für die Sternheim-Forschung als auch allgemein für die Literaturwissenschaft von innovativer Bedeutung.