Einheit aus Erkenntnis?
Die Unzulässigkeit der verfassungskonformen Gesetzesauslegung als Methode der Normkompatibilisierung durch Interpretation.
Ulrike Lembke
Mit der zunehmenden Konstitutionalisierung der Rechtsordnung ist die verfassungskonforme Auslegung zur allgegenwärtigen und nahezu unbezweifelten juristischen Methode geworden. Dementsprechend findet eine kritische Reflexion der unter diesem Begriff firmierenden, durchaus schillernden Phänomene kaum noch statt. Dabei sind sie aus methodologischer wie kompetentieller Sicht alles andere als unproblematisch, wie eine auf den Annahmen der Reinen Rechtslehre basierende Untersuchung ihrer konkreten Funktionsweisen zeigt. Wenn gefragt wird, wie das Grundgesetz in den Auslegungsvorgang eingespeist werden kann, also wie die Verfassung eigentlich ins Gesetz kommt, ist die Antwort ernüchternd: sie kommt gar nicht dorthin. Die Phänomene verfassungskonformer Auslegung erweisen sich vielmehr als Rechtserzeugungsvorgänge, bei denen Gesetzesinhalte zum Zwecke der Geltungserhaltung geändert oder den Gesetzen widersprechende Einzelfallentscheidungen erlassen werden. Wird die Herstellung von Verfassungskonformität zutreffend nicht im Bereich der Auslegung, sondern der sog. Rechtsanwendung verortet, ist der Verfassungseinfluss aber auch dort durch strukturelle Freiräume wesentlich beschränkt.