Einheit oder Vielheit
Über Methode und Gegenstand in der Geschichte und Philosophie der Wissenschaften
Hermann Hunger, Österreichische Akademie der Wissenschaften
Die hier gesammelten Vorträge bieten einen spannenden Überblick. Sie widmen sich dem Thema der Politikberatung durch die Wissenschaft, die von vielen kritisch gesehen wird. Die Wissenschaft kann über nicht wissenschaftliche Werte kein Urteil fällen; die Politik muss sich aber gerade an solchen Werten orientieren. Weitere Vorträge befassen sich mit der weit verbreiteten Ansicht, dass Natur- und Geisteswissenschaften zwei verschiedene Wissenskulturen repräsentieren und mit verschiedenen Methoden arbeiten und dass diese Dichotomie dem tatsächlichen Verfahren der Wissenschaften nicht entspricht, dass ganz andere Einteilungen historisch vorkamen und eher zutreffend sind. Zudem werden die Methodendebatten in der Ökonomie, der Rechts- und Geschichtswissenschaft und der Soziologie sowie die Rolle der Digital Humanities für die Frage nach der Einheit der Wissenschaften behandelt. Es wird auf ein Forschungsprogramm am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin, das sich „Computational History of Knowledge“ nennt, verwiesen. Weiters soll das negative und kontroverse Bild des Positivismus, das sich im 19. und 20. Jahrhundert herausbildete, korrigiert werden, indem auf Auguste Comte, den Begründer des Positivismus, zurückgegriffen wird. In einer Fallstudie wird das Verhältnis von Positivismus und Phänomenologie am Beispiel der Soziologen Felix Kaufmann und Alfred Schütz erörtert. Die Stellung der Psychoanalyse im Rahmen der Wissenschaften, die laut Sigmund Freud eine Spezialwissenschaft ist, wird behandelt und im letzten Beitrag werden die Beziehungen zwischen den österreichischen Philosophen Alois Riehl und Friedrich Jodl, die in ihren philosophischen Ansichten einander durchaus nahestanden, untersucht.