Emma im Spiegel
Renate Hohmann
„Sucor“ oder „Schattenbehälter“ ist das althochdeutsche Wort für Spiegel und es weist darauf hin, dass ein Spiegel mehr als nur eine Projektionsfläche für das eigene Äußere oder Hilfsmittel fürs Ausleben der eigenen Eitelkeit ist. Und so wird der Spiegel, auf dem für Emma, die Protagonistin dieser Erzählung, ihr ganzes Leben von der Kindheit bis ins reife Alter kondensiert, zu einer Metapher für das Unaussprechliche und Unausgesprochene, für die Dinge, die im scheinbaren Schutze der Nacht passieren – oder dann, wenn das Kind sich selbst überlassen ist. Meist geschehen sie dann, wenn im Sommer der „Onkel“ auf Urlaub da ist, aber ihre Auswirkungen reichen weit über diese Zeit hinaus und gleich den Tentakeln einer Krake drohen sie das Mädchen, wo immer es sich befindet, einzufangen und für alle Zeit an sich zu fesseln. Jahrzehnte später, nach Auflösung des elterlichen Haushalts, findet der Spiegel seinen Platz im Garten und wird für Emma zum Werkzeug schonungslos ehrlicher Selbstbetrachtung und Selbsterkenntnis. Wird es ihr gelingen, sich von den Schatten der Vergangenheit, die der Spiegel konserviert hat, zu befreien?
Allen Schattenthemen zum Trotz: Mit „Emma im Spiegel“ ist Renate Hohmann eine Erzählung von großer Poesie und atmosphärischer Dichte gelungen. Man wünscht dem Buch eine weite Verbreitung.