Enteignende Eingriffe?
Das Entschädigungsinstitut des enteignenden Eingriffs und die neuere verfassungsrechtliche Dogmatik der Eigentumsgarantie.
Christoph Külpmann
Das Recht der öffentlich-rechtlichen Ersatzleistungen befindet sich in einer Krise. Eine wesentliche Ursache der Krise ist die Vermengung von rechtmäßiger Enteignung mit der Haftung für hoheitlich begangenes Unrecht. Diese Vermengung führte zu den Rechtsfiguren des „enteignungsgleichen“ und des „enteignenden“ Eingriffs, die heute zum Standardrepertoire der Ausbildung gehören.
Gegenstand der angezeigten Untersuchung ist der „enteignende Eingriff“. Diese Rechtsfigur soll – so der BGH – meist atypische und unvorhergesehene Nachteile ausgleichen, die eine an sich rechtmäßige hoheitliche Maßnahme bei einzelnen Betroffenen hervorruft und die die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschreiten. Praktische Bedeutung hat die Rechtsfigur namentlich beim Ausgleich von Beeinträchtigungen durch Bauarbeiten der öffentlichen Hand, durch Straßenverkehrs- oder Fluglärmimmissionen sowie bei der finanziellen Bewältigung von Unfällen erlangt.
Der Fortbestand der Rechtsfigur ist durch die verfassungsgerichtliche Dogmatik der Eigentumsgarantie (paradigmatisch: BVerfGE 58, 300 – Naßauskiesung) in Zweifel gezogen worden. Der Autor prüft, ob und in welchem Umfang die überkommene Rechtsfigur des enteignenden Eingriffs vor dem Hintergrund dieser Dogmatik noch bestehen kann. Enteignende Eingriffe werden in ihrem Verhältnis zur Enteignung, zur sogenannten ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung und zur Staatsunrechtshaftung betrachtet. Der Verfasser legt dar, wie das bisher angefallene Fallmaterial mit den letztgenannten Instituten zu bewältigen ist. Einer richterrechtlichen Entschädigung stünden zudem verfassungsrechtliche Bedenken entgegen, die aus der Junktimklausel des Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG und dem Vorbehalt des Gesetzes in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG folgten.