Erzählte Zeit – erzähltes Selbst
Zu Paul Ricoeurs Begriff der narrativen Identität
Stefanie Bläser
„Sich verstehen bedeutet, sich angesichts eines Textes zu verstehen und von ihm die Bedingungen eines Selbst zu empfangen, das anders als das Ich ist, das die Lektüre beginnt (.).“°°°°Der 2005 verstorbene französische Philosoph Paul Ricoeur widmete sich ausführlich der transformierenden Kraft des Erzählens. Die subtilen Verbindungslinien, die er durch die narrative Tätigkeit zwischen den Kategorien des Sinns, des Selbst und der Zeit extrapoliert, kulminieren in seiner Konzeption des Selbst als narrativer Identität. Einer fragilen zwar, sich stets verändernden Identität, die sich über die Rezeption und Produktion von Erzählungen immer wieder neu kon- und refiguriert, die aber gerade dadurch dem Paradoxon der „Beständigkeit im Wandel“ gerecht werden kann.°°°°Diese Arbeit führt in die Zeit- und Subjektphilosophie Paul Ricoeurs ein und erörtert vor dem Hintergrund seines Hauptwerkes „Zeit und Erzählung“ seine Theorie der narrativen Identität. In einem Exkurs werden anschließend Ricoeurs Analysen narrativer Zeitlichkeit mit jenen der strukturalistischen Erzähltheorie genettescher Provenienz verglichen.°°