Fadenschein
ein Roman von Josef Krug
Josef Krug
… Er trabte durch die kahlen niederen Kellerräume –
neben Wolfgang hinter Bernd her, der wiederum Siglinde
und der mit dem Bubikopf hinterher trabte, dem Muskelspiel
der nassen Hintern, die rosig waren von der Kälte
des Wassers oder von der Hitze im Dampfraum oder von
beidem, von Abdrücken der Holzrostfugen quergestreift.
Alle liefen herum, als spielte Nacktheit für sie keine
Rolle oder als wären sie nicht nackt. Sie unterhielten
sich und lachten, saßen im Umkleideraum unter den
Büscheln ihrer Kleider. Das Knie in der Achselhöhle untersuchte
Wolfgang seine Zehen, zuerst den einen Fuß,
dann den andern. Vielleicht auch hatten sie vereinbart,
dass es keine Rolle spielen sollte, nackt zu sein, und es
handelte sich um eine Art Versuchsanordnung im Programm
der ›Arbeitsgruppe Rollenanalyse‹, der Revolutionierung
der Persönlichkeit, der sexuellen Revolution;
nackt war die Tracht der Gruppe in der Sauna, wie nackt
beim Militär die vorgeschriebene Uniform für Duschen
oder eine Gruppen-Untersuchung gewesen war. Obwohl
bei Untersuchungen meistens die Unterhose anbehalten
werden konnte und der Arzt mit seinem Zeigefinger nur
den Hosengummi ein wenig vom Körper wegzog, um
hineinzusehen.
»Nun husten Sie mal kräftig! Kräftig! hab’ ich gesagt!«
Dann zogen sie sich wieder an, und mit jedem Kleidungsstück
mehr auf dem Körper verlor sich Benraths
Unsicherheit und Angst; Erleichterung wie nach einer
bestandenen Prüfung erfüllte ihn.