Flaschenkinder
Säuglingsernährung und Familienbeziehungen in Deutschland und Schweden im 20. Jahrhundert
Verena Limper
Wenn ein Kind auf die Welt kommt, wird kaum eine Frage so hitzig diskutiert, wie die nach seiner Ernährung. So etablierte sich in Westeuropa im Verlauf des 20. Jahrhunderts das Stillen zwar als Norm, jedoch orientierten sich die Ernährungspraktiken nicht immer daran – im frühen 20. Jahrhundert, aber auch in 1950er bis 1960er Jahren hatte Flaschennahrung Konjunktur. Die vorliegende Studie liefert erstmalig einen Überblick über die Geschichte der Flaschennahrung für Säuglinge von ihrer Erfindung um 1865 bis zum Werbeverbot von 1981. Sie zeigt, wie Ernährungswissen entstand, wie dieses Wissen an die breite Öffentlichkeit kommuniziert wurde und schließlich, wie Menschen dieses Wissen in der Säuglingspflege umsetzten. Die Flaschennahrung ging dabei Allianzen mit Akteuren unter anderem in der Wissenschaft, Industrie, Psychologie ein, die dazu führten, dass sie sich als legitime Alternative zur Brusternährung etablieren konnte. Dieser Konsens begann erst in den 1970er Jahren zu bröckeln. Anhand der Beispielländer Deutschland und Schweden zeigt die Studie gesellschaftliche Spezifika dieses Prozesses auf und untersucht am Beispiel der Säuglingsernährung das wechselhafte Verhältnis von Eltern, Kindern und Expert*innen aus ding- und wissensgeschichtlicher Perspektive.