Fusionen deutscher Genossenschaftsbanken vor dem Hintergrund des Förderauftrags
Eine empirische Analyse der MemberValue-Kommunikation
Vanessa Arts
Infolge der Finanzkrise wird das reale Größenwachstum von zahlreichen Genossenschaftsbanken als notwendig erachtet, sodass in den vergangenen Jahren ein starker Zuwachs an Fusionen innerhalb der Genossenschaftlichen FinanzGruppe zu verzeichnen ist. Dabei stehen die Mitglieder im Fokus. Inwieweit Auswirkungen auf die Mitgliederförderung gegenüber den Mitgliedern kommuniziert werden, wurde bisher noch nicht untersucht.
Aktueller Forschungsstand
Fusionen von Genossenschaftsbanken bedürfen nicht nur der expliziten Zustimmung der Mitglieder, sondern sind ausschließlich durch den Erhalt oder die Entstehung von Mitgliedervorteilen zu rechtfertigen. Ein in der Wissenschaft anerkanntes und zugleich theoretisch fundiertes Modell der gesetzlich verankerten Mitgliederförderung stellt hierzu der MemberValue von Theurl (2002) dar. In der Fusionserfolgsforschung wird der Förderauftrag in seiner Gesamtheit nicht als die entscheidende Erfolgsgröße angesehen. Stattdessen findet eine Konzentration auf einen Bestandteil des MemberValues – den Optionsnutzen – statt, obwohl eine umfangreiche Literaturstudie ein anderes Vorgehen nahelegt.
Kommunikation als Untersuchungsgegenstand
Die Kommunikation ist zentraler Bestandteil einer weitreichenden MemberValue-Strategie und gilt zugleich als ein entscheidender Erfolgsfaktor einer jeden Fusion. Aufgrund der Entscheidungs- und Kontrollrechte der Mitglieder ist der fusionsvorbereitenden Kommunikation von Genossenschaftsbanken im Vergleich zu anderen Unternehmensformen zudem umso mehr Bedeutung beizumessen. Zusätzlich führen Sanktionen, die bei unzureichender oder irreführender Kommunikation drohen, zu einer Disziplinierung des Managements in der Kommunikation. An diese Überlegungen knüpft die Dissertation an, indem die externe Fusionskommunikation als Untersuchungsgegenstand gewählt und hinsichtlich des MemberValues ausgewertet wird.
Ergebnisse
Auf Basis einer skalierenden Inhaltsanalyse konnten knapp 10.000 Quasi-Sätze, die sich mit dem Förderauftrag direkt oder indirekt auseinandersetzen, in der externen Fusionskommunikation von 203 Genossenschaftsbanken, die im Jahr 2014 bis 2016 fusioniert haben, identifiziert werden. Obwohl es gegenwärtig an vergleichbaren Untersuchungen fehlt, kann Genossenschaftsbanken aufgrund dessen eine hohe MemberValue-Orientierung im Zuge von Fusionen zugesprochen werden.
Darüber hinaus lassen sich stichpunktartig folgende Ergebnisse für Genossenschaftsbanken festhalten:
Genossenschaftsbanken nehmen nur selten einen direkten Bezug zum Förderauftrag und greifen stattdessen auf operationalisierte Bestandteile der Mitgliederförderung zurück. Obgleich diese Vorgehensweise die Erfassung der Informationen durch die Mitglieder erleichtert, wird in einem stärkeren direkten Bezug zum Förderauftrag eine bisher nicht ausreichend genutzte Möglichkeit zur Differenzierung von Wettbewerbern im Markt gesehen.
Genossenschaftsbanken kommunizieren primär Auswirkungen der Fusion auf den Nachhaltigen MemberValue (Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit, Interaktion, Machtverhältnisse) und sekundär auf den Unmittelbaren MemberValue (Erreichbarkeit, Preis- und Leistungsverhältnis, Produkt- und Dienstleistungsportfolio, Ansprechpartner), während der Mittelbare MemberValue von untergeordneter Relevanz ist. Daraus kann eine verzerrte Bewertung des Fusionsvorhabens resultieren. Schließlich zeigen Wirkungen auf der nachhaltigen Ebene erst langfristig betrachtet eine spürbare Wirkung. Zudem werden insb. jene Einflussfaktoren in der Kommunikation vernachlässigt, die zu einem einzigartigen Wettbewerbsvorteil führen (Mitgliedernetzwerk oder Mitgliederkontrolle).
Genossenschaftsbanken kommunizieren eindeutig, aber nur mit Einschränkungen objektiv. So wird in Bereichen, in denen tendenziell negative Auswirkungen zu erwarten sind, nur wenig bis gar nicht kommuniziert.
Die Kommunikation fusionierender kleiner oder fusionierender großer Genossenschaftsbanken weicht tendenziell von der konsolidierten Auswertung ab. Mitglieder solcher Banken können von z. T. von schwächeren oder stärkeren Fusionswirkungen ausgehen.
Genossenschaftsbanken weisen ein nahezu identisches Kommunikationsverhalten zu den Sparkassen auf, da genossenschaftliche Spezifika nur in einem geringen Umfang die Kommunikation prägen. Lediglich im Hinblick auf die zugrunde liegenden Dokumententypen ergaben sich Abweichungen. Während Sparkassen stärker gesetzlich verpflichtende Dokumententypen in ihrer Fusionskommunikation einsetzten, nutzten Genossenschaftsbanken stärker freiwillige Dokumententypen und ermöglichten auf dieser Basis eine breitere Streuung der Informationen.
In der Summe zeigen die Ergebnisse, dass Genossenschaftsbanken – unabhängig von ihrer Größenordnung – eine umfassende, eindeutige und mit Einschränkungen objektive MemberValue-Strategie, die überwiegend indirekt zum Ausdruck kommt, kommunizieren. Allerdings fehlt es ihr säulenübergreifend betrachtet an Einzigartigkeit, da Potenziale zur Wettbewerbsdifferenzierung weitestgehend ungenutzt bleiben. Für die externe Fusionskommunikation, aber auch für die Kommunikation mit Mitgliedern im Allgemeinen, ergeben sich aus diesen Ergebnissen wertvolle Handlungsempfehlungen.