Gemeinwohlsemantiken im deutschen Protestantismus seit 1945
Victoria Meyer-Hoffmann
Die Publikation „Gemeinwohlsemantiken im deutschen Protestantismus seit 1945“ beleuchtet den populären Begriff des Gemeinwohls und seine Ausdifferenzierungen in den Äußerungen protestantischer Akteur*innen über die verschiedenen Epochen der BRD hinweg bis zum Ende der rot-grünen Bundesregierung 2005.
Die Zeitspanne der Betrachtung erstreckt sich dabei über die spannungsvolle Nachkriegszeit, der die missbräuchliche Verwendung des Begriffs Gemeinwohl im Nationalsozialismus vorangeht, zu einer sich konstituierenden BRD, der die nach Orientierung suchende evangelische Kirche durch seine Protagonist*innen Halt zu geben versucht. Mit ihrer Betonung der Werte des Vertrauens und der Menschenwürde, aber auch der begrifflichen Pfeiler Gerechtigkeit und Freiheit, die sich um das Gemeinwohl clustern, tragen diese dabei maßgeblich zur Konsolidierung der Gesellschaft in den Fünfziger- und Sechzigerjahren bei
Auch involvieren sich protestantische Handelnde intensiv in die Grundwertedebatte der Siebzigerjahre und demonstrieren Anfang der 90er-Jahre anhand der Wirtschaftsdenkschrift „Gemeinwohl und Eigennutz“ eine beinahe inflationäre Verwendung eines Gemeinwohlbegriffs, dessen Definition ein Annäherungsversuch bleibt. Mit der Jahrtausendwende und der ökumenischen Solidaritätsschrift nähert sich der Protestantismus dabei dem katholischen Gemeinwohlverständnis und emanzipiert sich gleichwohl in seiner eigenen pluralistisch verfassten Vorstellung.