Georg Jellinek und die klassische Staatslehre
Jens Kersten
Georg Jellinek (1851-1911) gilt als der Klassiker der Staats- und Verfassungslehre. So gehören sein dreielementarer Staatsbegriff (Staatsgebiet, Staatsvolk, Staatsgewalt) im Verfassungsrecht und die von ihm geprägte Status-Lehre in der Grundrechtstheorie bis heute zum juristischen Bildungskanon. Jellinek legte mit seiner Unterscheidung und gleichzeitigen Vermittlung von empirischer und juristischer Staatslehre den Grundstein für einen interdisziplinären Dialog in den Staatswissenschaften. Mit Max Weber stritt Jellinek um den sozialwissenschaftlichen Typusbegriff, mit Paul Laband um das Verhältnis von Staatsrechtslehre und Politik. Zudem provoziert Jellineks Erklärung von Revolutionen durch die ’normative Kraft des Faktischen‘ die Staatstheorie seit hundert Jahren. Und schließlich inspiriert seine Analyse der ‚Verfassungswandlung‘ die Verfassungslehre bis auf den heutigen Tag. Ausgehend von Georg Jellineks Biographie sucht Jens Kersten einen wissenschaftsgeschichtlichen Zugang zu Jellineks Begriffen und Positionen und fragt zugleich nach deren aktueller Bedeutung: Läßt sich Jellineks Typenbegriff zur Kategorisierung der Europäischen Union verwenden? Kann man in den Zeiten der Globalisierung an Jellineks Staatsbegriff und seine Staatszwecklehre anknüpfen? Und lassen sich Revolutionen mittels der ’normativen Kraft des Faktischen‘ erklären?