Gewerkschaftliche Betätigung im Betrieb nach Aufgabe der Kernbereichslehre durch das Bundesverfassungsgericht.
Martin Brock
In seiner Entscheidung vom 14.11.1995 gab das BVerfG die von ihm entwickelte Kernbereichslehre zur Koalitionsfreiheit wieder auf. Die viel kritisierte Kernbereichslehre hatte die Dogmatik des Grundrechts geprägt. Besondere Kritik zog die auf die Kernbereichslehre gestützte Rechtsprechung von BVerfG und BAG auf sich, die die Rechte der Gewerkschaften im Betrieb auf „unerläßliche“ Betätigungen beschränkte. In der neuen Entscheidung stellte das BVerfG klar, daß sich die Grenzen des Werberechts nicht aus einer Beschränkung der Koalitionsfreiheit auf den Kernbereich ergeben, sondern aus einer Abwägung mit entgegenstehenden Grundrechten des Arbeitgebers.
Der Autor untersucht die dogmatischen und praktischen Konsequenzen der Entscheidung des BVerfG. Er zeigt, daß die Entscheidung auf einer verstärkten Betonung des Charakters der Koalitionsfreiheit als Freiheitsrecht basiert und daß das BVerfG auf diese Weise zu einer überzeugenden Dogmatik der Koalitionsfreiheit gefunden hat. Eingehend untersucht der Verfasser die Rechte der Gewerkschaften im Betrieb. Er verdeutlicht, daß die neue Rechtslage eine deutliche Ausweitung der Gewerkschaftsrechte bedeutet, diese aber weiterhin nicht schrankenlos sind. Insbesondere ein Werberecht in der Arbeitszeit und ein Zugangsrecht betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter zur Mitgliederwerbung gibt es weiterhin nicht. Ein Kapitel über die Rechtsdurchsetzung und über die Möglichkeiten einvernehmlicher Regelungen rundet die Arbeit ab.